Zeitungsartikel: Wochenblatt Speyer
Programm:
Innocents
The great commandment
True faith
Silent night
Enjoy the silence
Forget about me
Screamager
WEIHNACHTEN ROCKT, ABER "NIKI" BLEIBT HÜFTSTEIF
Rund 100 Zuschauer beim "13. X-Mas-Rock" des Rockmusikervereins in der Halle 101 - Sieben Bands per Internet ausgewählt
Von unserem Mitarbeiter Daniel Krauser
Das berühmte Altpörtel-Glasfenster mit Nikolaus haben die Herren vom Rockmusikerverein an der Hallenwand verschraubt, "Niki" guckt ein bisschen grimmig, hat aber einen grinsenden Affen im Sack. Fehlt noch das traditionelle deutsche Weihnachtsliedgut, das beim "13. X-Mas-Rock" des Rockmusikervereins sicher eine tragende Rolle spielen wird. "Nö", sagt Jörg Zehfuß vom Verein, "aber es gibt zwei oder drei Versionen von 'White Christmas.'"
Das obligate Weihnachtslied darf im Vortrag der insgesamt sieben Bands des Abends genauso wenig fehlen wie der eigenen Song, 25 Minuten hat jede der Gruppen für ihren Vortrag. Durch eine Internet-Abstimmung hat man die Bands der Wahl ermittelt, "meistens Speyerer", sagt Zehfuß. Er hofft durch lokale Anbindung auf einen breiten Zuschauerstrom, der während des gesamten Abends allerdings nicht wirklich in Fluss kommen wird: Gut 100 Zuschauer verlieren sich etwas in der Halle, am größten Teil wohl Freunde der Bandmitglieder oder Familienangehörige. Warum nicht: Weihnachten ist ein Fest für die ganze Familie. Und "Happy Bone & the Plug", die erste Band des Abends, liefert mit einer ziemlich kaputten Version von "Es ist ein Ros' entsprungen" den Soundtrack dazu.
Ein wenig hat das Trio um Gitarrist und Sänger Till Kaufmann offensichtlich nach dem Alten Musiker-Grundsatz "Wer probt, fällt Kollegen in den Rücken" gehandelt, aber vielleicht begreift man den Vortrag einfach als "Work in progress". "Seven nation army" von den "White Stripes", Schlachtgesang aller zwischen Neurose und blindem Aktivismus pendelnder Großstadt-Hänger, kommt trotzdem gut.
Gut kommen auch die Pop-Soul-Klänge von "Blind Date", obschon das Sextett mit Matrosen-Mützen nicht zwingend weihnachtlich kostümiert aufläuft. Gut eingespielt sind die Musiker aus dem gesamten Rhein-Neckar-Dreieck. Sie haben mit Christian Stukering und Alena Möller zwei Frontleute, die R'n'B-Klassiker wie "River deep, mountain high", stimmlich adäquat darstellen können.
Warum die dritte Band des Abends "Eclipse" die Speyerer-Rock-Krone erringen konnte, versteht an diesem Abend wahrscheinlich nicht mal das Christkind. Fairerweise gesagt erreicht der ohnehin schlechte Sound in den leeren Halle beim "Eclipse"-Vortrag seinen Tiefpunkt, dafür können die Musiker nur bedingt etwas. Für die ziemlich uninspirierte Art, Klassiker wie "Word Up" von Cameo/Gun runterzudreschen dagegen schon, und für die massiven Timing-Probleme bei einem Stück wie "Killing in the name of" von "Rage against the machine", das nun mal von seinem lässig "hingerotzten" Rhythmus lebt, erst recht.
"Splendid Mud" machen "Nu-Melodic-Metal", im Klartext: Das Sextett mischt Einflüsse britischen Synth-Pops mit Metal-Elementen, programmatisch bekennen sich die Musiker durch das Covern von New Order-, Simple Minds- und Depeche Mode-Songs zu ihren Wurzeln. Das klingt ganz apart, leidet aber einfach deshalb unter dem Hallensound, weil für einen solchen Ansatz ganz unterschiedliche Klangkonzepte austariert werden müssten - in der spärlich gefüllten Halle 101 an diesem Abend leider unmöglich.
"Haah?", All-Star-Band Speyerer Urgesteine, verbinden 70er-Jahr-Attitiüde mit Songs aus den 80ern und 90ern, und funktionieren als Band einfach deshalb, weil Sängerin Natalie Weller das ganze durch ihre fantastische Stimme zusammenhält. "Skunk anansie" zu covern, stellt für jede Frontfrau eine ziemliche Herausforderung dar, Weller geht den Song "Weep" entschlossen rockig an, erweist sich als höhenfest und mit gutem Fundament. Prächtig.
Katrin Schreiner und ihre band "Exeed" haben sich mit "Zombie" von den "Ceanberries" auch einene ziemlichen Brocken vorgenommen, dass Schreiner im Verglich mit Dolores "Ich-hab'- eine Gesangsausbildung und ich-lass-es-jeden-wissen" O'Riordan nicht mithalten kann, ist logisch und kein rund für Fundamentalkritik. Ein bisschen nervös sind die jungen Musiker erkennbar schon, schlagen sich aber, beispielsweise mit Bryan Adams-Cover, achtbar. Ausbaufähig.
"One eyed Jack" kommt gegen halb eins die undankbare Aufgabe zu, vor inzwischen deutlich unter 100 Zuhörern den Abend zu beschließen. Die Akustik-Roots-Rocker, laut Sänger Thomas Sraka "zum erschde mol plugged" zu hören, machen das Beste daraus, und bringen mit dem Police-Klassiker "Message in a Bottle" die Restzuschauer dazu, die Hüften kreisen zu lassen, Glas-Niki wirkt dagegen, trotz Affe, immer noch ein wenig hüftsteif. Da kann ihm jetzt auch keiner mehr helfen.
Rhein-Pfalz Montag 20.12.2004
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